Die Luft riecht schon so langsam nach Frost. Die Tage sind kurz, die Nächte lang, und morgens liegt ein Hauch von Eis auf den Autoscheiben. Endlich. Der Winter steht vor der Tür – oder zumindest das, was davon noch übrig ist.
Ich liebe den Winter. Ich liebe ihn mit ganzer Seele. Ich liebe das Knirschen von Schnee unter den Stiefeln, das Prickeln auf der Haut, wenn der Wind einem ins Gesicht beißt, und das Gefühl, wenn man nach einem Spaziergang mit roten Wangen ins Warme zurückkehrt. Winter ist nicht nur eine Jahreszeit – er ist ein Zustand, ein Versprechen, ein Innehalten.
Doch dieses Versprechen wird seit Jahren schon gebrochen. Wo sind sie hin, die Schneetage, an denen alles still wird und die Welt wie in Watte gehüllt scheint? Stattdessen: graue Nässe, milde Temperaturen, Regenpfützen statt Magie. Und jedes Mal, wenn ein Wintertag sich eher wie ein verirrter Frühlingstag anfühlt, krampft sich etwas in mir zusammen.
Was mich dabei wirklich wütend macht: Menschen, die sich über diese Wärme auch noch freuen. Die im Januar im T-Shirt draußen sitzen und sagen: "Ist doch schön, dass es nicht so kalt ist." Nee, Leute, ist es nicht. Es ist nicht schön, es ist nicht normal und es ist nicht harmlos. Wer es gerne warm hat, soll bitte dorthin ziehen, wo es im Normalzustand warm ist – aber hört auf, den Winter zu feiern, wenn er sich wie ein Spätherbst anfühlt. Das ist nicht nur ignorant, das ist extrem egozentrisch.
Ich frage mich tatsächlich oft, ob ich die Einzige bin, die diese Temperaturen ängstigen. Die sich fragt, was das alles für die Zukunft bedeuten mag. Die sich Sorgen macht, wenn sich der Januar wie ein April anfühlt. Denn das alles ist kein witziger Zufall. Das ist Klimawandel. Das ist globale Erderwärmung. Und sie ist längst nicht mehr subtil – sie ist schon lange spürbar, sichtbar, greifbar. Und sie raubt uns nicht nur weiße Weihnachten, was verschmerzbar wäre, sondern unser aller Zukunft.
Ich wünsche mir deshalb tatsächlich einen Winter, der seinem Namen gerecht wird. Einen Winter, der uns glauben lässt, dass die Welt noch halbwegs im Gleichgewicht ist. Einen Winter, der kalt und klar ist, wie er sein sollte. Und ich wünsche mir, dass wir alle aufhören, das Unnatürliche abzufeiern – bevor es das Einzige ist, was uns noch bleibt.
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